Donnerstag, 16. Juni 2011

einwurf

weihbischof andreas laun ist in der regel für ausgewogene und fundierte beiträge bekannt. soeben las ich einen beitrag über abtreibung, in dem mir eine bemerkung ziemlich sauer aufstößt (hervorhebung von mir):

Behauptet wird, der Embryo sei noch kein Mensch! Ich aber habe den dringenden Verdacht: Eigentlich glaubt das wirklich niemand, im Grunde ihres Herzens wissen alle: Der Mensch existiert von der Empfängnis an, Abtreibung ist daher die absichtliche Tötung eines Menschen und daher objektiv ein Mord!

bevor ich das weiter kommentiere, möchte ich klar stellen, dass ich abtreibung nicht befürworte.

weihbischof laun sollte sich doch einmal ein in seinem rechtsbereich geltendes strafgesetzbuch ansehen und genau nachschauen, wie mord dort definiert wird. da, wo ich lebe, sieht das so aus:


Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

die unterscheidung, die weihbischof laun, warum auch immer, unterlässt, ist die zwischen den menschen, die ein kind abtreiben, weil es ein luxushindernis darstellt (à la passt mir gerade nicht), und denen, bei denen schwer wiegende seelische nöte vorliegen.

mir ist bewusst, dass ich ein klischee bemühe, aber man nehme es doch zur abwechslung mal ernst (kein klischee existiert ohne grund): welche der obigen voraussetzungen für mord treffen denn auf das ungewollt schwanger gewordene vergewaltigungsopfer zu?

nochmal ganz deutlich: abtreibung ist nicht in ordnung. aber der pauschale mordvorwurf, garniert mit dem in diesem zusammenhang geradezu anmaßenden "objektiv", geht auch nicht.

3 Kommentare:

  1. Sir Thomas Morus16. Juni 2011 um 15:28

    Ich halte diese Kritik an WB Laun für ungerechtfertigt.

    WB Laun ist von Hause aus Moraltheologe. Bei der von Dir kritisierten Aussage geht er vom moraltheologischen Begriff des Mordes aus und nicht von dessen Definition im deutschen StGB (die ich zudem für überaus fragwürdig halte - siehe unten). Der Verweis auf den § 211 StGB geht darum an der Sache vorbei.

    Moraltheologisch ist Mord die direkte und absichtliche Tötung eines unschuldigen Menschen. Die trifft in vollem Umfang auf die Abtreibung zu. Das 2. Vatikanische Konzil scheut sich in Gaudium et Spes Nr. 51 nicht, die Abtreibung ein "verabscheuenswürdiges Verbrechen" zu nennen.

    Wenn WB Laun davon spricht, daß die Abtreibung "objektiv ein Mord" sei, dann meint er damit, daß diese Handlung (moraltheologisch gesehen) einen Mord darstellt, unabhängig von der Absicht bzw. der subjektiven Motivation des Täters. Er spricht also über die Tat an sich, über ihre Qualität, nicht über die Intention oder die Beweggründe des/der Handelnden. Deshalb braucht er im Bezug auf letzteres auch keine Unterscheidung vorzunehmen.

    WB Laun ist keiner, der über jemanden, der aus großer Not heraus handelt, den Stab bricht. Aber hier geht es eben um die Tat an sich und WB Laun wehrt sich dagegen, daß deren Realität in der öffentlichen Diskussion meist verschleiert wird.

    Was die strafrechtliche Definition des Mordes angeht:
    Würde WB Laun, wie von Dir gefordert, das in seinem Rechtsbereich - also in Österreich - geltende StGB ansehen, so fände er unter "§ 75 Mord" die Bestimmung: "Wer einen anderen tötet ist ... zu bestrafen." Von einer bestimmten Motivation wird im österreichischen StGB nichts gesagt.

    Die Definition des Mordes unter Einbeziehung bestimmter Beweggründe im deutschen StGB ist pikanterweise ein Erbe der NS-Zeit und wurde am 15.9.1941 eingeführt. Bis dahin hieß es in § 211 StGB einfach:
    "Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft".

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  2. sir thomas,

    point taken. er sollte das aber vielleicht klar stellen - wenn sich einer zu dingen der lebenswirklichkeit äußert, kann es passieren, dass die begrifflichkeiten durcheinander geraten. für einen moraltheologen haut das alles perfekt hin. die geschätzten 95 % der zuhörer und leser, die keine moraltheologen (gar nicht einmal theologen) sind, nehmen den begriff "mord" schlicht und einfach anders war.

    wer soll angesprochen werden? - das problem der verschiedenen sprachen tritt bei theologen leider häufiger auf: die eigentlich doch ganz klaren inhalte unseres glaubens werden dann durch komplizierte sprache unnötig verschleiert.

    der hinweis auf das nazi-erbe des StGB war übrigens echt unnötig. jetzt mal ehrlich: war das als stilmittel gedacht, um meinen standpunkt ein wenig zu diskreditieren? hm?

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  3. Sir Thomas Morus18. Juni 2011 um 10:02

    Die Änderung des § 211 in der NS-Zeit habe ich deshalb erwähnt, weil ich die Definition des Mordes im deutschen StGB für fragwürdig halte. Ich hatte ja schon zu Beginn meines Kommentars geschrieben: "...die ich zudem für überaus fragwürdig halte - siehe unten".

    Zum einen halte ich es für kurios, diese Beweggründe in der Definition aufzuführen, zum anderen wundert es mich, daß diese Änderung nach 1945 erhalten geblieben ist.

    Diese Aussagen stellen ein Urteil über die Fassung des § 211 StGB dar, nicht über Deine Ausführungen. Ich hatte in keinster Weise die Absicht, Deinen Standpunkt damit zu diskreditieren. Einen solchen Verdacht halte ich nun wiederum für unnötig.

    Im Übrigen stimme ich Dir zu, daß es sicher besser ist, bei öffentlichen Äußerungen den Kenntnisstand der Adressaten zu berücksichtigen und sich zu bemühen, Mißverständnisse zu vermeiden.

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